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Einblick in die Welt der Pioniere: Jess Lee

Wir haben uns mit Jess Lee getroffen. Sie ist Investitionspartnerin bei Sequoia Capital und frühere CEO bei Polyvore, einer beliebten Style-Community, mit der mehr Demokratie in die Welt der Mode und des E-Commerce gebracht wird. Lee erzählt uns, was sie zu Beginn ihrer Karriere bei Google gelernt hat, wie diese Erkenntnisse ihr dabei geholfen haben, Polyvore auszubauen, welche Herausforderungen es im Bereich Innovation gibt, warum es so vielen Unternehmen schwerfällt, eine gute Unternehmenskultur zu schaffen, und warum Frauen in der Technologiebranche noch immer nur schwer vorankommen. Sie spricht auch über ihre Methoden, um konzentriert und organisiert zu arbeiten. Wir können schon mal verraten, dass dabei sowohl Notizbücher aus Papier als auch Notizbücher in Evernote eine entscheidende Rolle spielen.

Du hast eine faszinierende und facettenreiche Karriere, die keinem festgeschriebenen Muster folgt. Was sind deine Hauptinteressen? Was motiviert dich als Person?

Wenn ich so auf meine Karriereentscheidungen zurückschaue, dann war es mir meist am wichtigsten, mich weiterzuentwickeln und Dinge zu lernen. Wenn ich merke, dass ich nichts Neues mehr mitnehmen kann, dann ist es an der Zeit für etwas anderes. Das war ein wichtiger Faktor bei allen meinen größeren beruflichen Veränderungen.

Nach vier Jahren bei Google hast du bei dem sehr interessanten Unternehmen Polyvore als Produktmanagerin begonnen.

Polyvore ist eine Mode-Community, in der du alle deine Lieblingsprodukte aus verschiedenen Geschäften zu Outfits oder Collagen zusammenstellen kannst. Millionen Nutzer verwenden die App jeden Monat, um Kreationen zu entdecken und zu kaufen.

Als ich Polyvore entdeckte, konnte man Outfits nur zusammenstellen. Es war so eine Art Online-Photoshop. Als die Shopping-Funktion jedoch dann integriert wurde, war das Ganze noch viel spannender. Ich spielte ständig damit herum. Ich war relativ süchtig nach dem Tool und verbrachte abends drei bis vier Stunden damit. Eines Tages schickte ich den Co-Gründern eine Reihe von Beschwerden und Verbesserungsvorschlägen. Als Antwort kam dann so was wie „Hey, warum arbeitest du nicht einfach selbst an diesen Anregungen? Komm doch am besten zu uns ins Team“.

Schlussendlich stellten sie mich dann als erste Produktmanagerin ein. Meine Rolle veränderte sich später in Richtung Co-Gründer und zu guter Letzt wurde ich CEO. Ich entschied mich damals, zu dem Unternehmen zu wechseln, weil ich wusste, dass ich sehr viel lernen würde. Zu dem Zeitpunkt arbeiteten ja nur drei andere Personen im Unternehmen.

Hat etwas Bestimmtes in deiner Zeit bei Polyvore deine Vorstellung von Führungsqualitäten beeinflusst?

Ich hatte vor meiner Stelle bei Polyvore noch nie ein Team geleitet. Ich musste also so ziemlich von vorne beginnen und habe durch Ausprobieren viel gelernt. Man kann sich zwar in das Thema Best Practices im Management einlesen, aber die Praxis ist dann doch etwas ganz anderes.

„MAN KANN SICH ZWAR IN DAS THEMA BEST PRACTICES IM MANAGEMENT EINLESEN, ABER DIE PRAXIS IST DANN DOCH ETWAS GANZ ANDERES.“

Für mich war es ganz wichtig, authentisch zu bleiben. Ich habe einige Zeit versucht, verschiedene Führungsstile zu kopieren, die ich wo anders gesehen hatte, vor allem die sehr klassischen und extrovertierten Methoden, die man in vielen Filmen sieht. So ein wenig wie ein General.

Ich brauchte eine Weile, um meinen eigenen Stil zu finden, denn ich bin eigentlich relativ introvertiert. Ich war zum ersten Mal CEO und hatte wenig Erfahrung, also konnte ich nicht mit Autorität sagen „Ich weiß genau, wohin wir uns bewegen und was wir tun müssen.“. Ich merkte schlussendlich, wie wichtig es ist, dass dir dein Team vertraut und es eine Aufgabe und ein Ziel vor sich hat. Und das kann man fördern. Ich habe erkannt, dass ich nicht so tun muss, als ob ich immer alles wüsste. Es ist viel besser, die allgemeine Fahrtrichtung anzugeben und zu sagen „Das ist das Ziel, an das ich uns bringen möchte. Der Weg dahin ist holprig und ich brauche euch und eure Unterstützung, um es zu schaffen.“.

Ich war sehr inspiriert von Cheryl Dalrymple. Sie ist die CFO, die ich letztendlich bei Polyvore einstellte. Als ich sie zum ersten Mal sah, war ich wirklich sehr beeindruckt von ihr. Sie ist jetzt CFO bei Confluent. Von ihr habe ich gelernt, dass man eine Führungsrolle innehaben und trotzdem freundlich, authentisch und ein wenig schrullig sein kann. Ihr würden viele bis ans Ende der Welt folgen und das hat mich sehr inspiriert.

Als ich sie kennenlernte und sah, dass sie diese Wirkung auf Leute hatte, wusste ich, dass ich viel von ihr lernen könnte. Also setzte ich alle Hebel in Bewegung, um sie einzustellen. Ich wollte sie in einer Führungsposition bei Polyvore sehen, damit ich so viel wie möglich von ihr lernen konnte.

Das ist vielleicht auch ein wichtiger Punkt: Umgib dich mit tollen Menschen, die du bewunderst.

Worauf bist du in deiner Zeit bei Polyvore am meisten stolz?

Ich bin stolz darauf, dass wir ein Unternehmen aufgebaut haben, das drei Jahre lang profitabel war. Und auch auf den Einfluss auf einige unserer Nutzer. Wir haben Rückmeldungen von Leuten bekommen, dass sie dank des Tools selbstbewusster auftreten und sich besser fühlen, da sie einen Stil für sich entdeckt haben, der zu ihnen passt. Uns hat sogar einmal ein Mädchen geschrieben, dass Polyvore sie dazu inspiriert hat, Informatik zu studieren. In ihrem Motivationsschreiben für die Universität Cornell hat sie über Polyvore geschrieben. Darauf bin ich wirklich stolz.

Ich war auch stolz auf uns, als wir 2014 den Preis „Great Places to Work“ im Bereich „Technologie“ gewonnen haben. 2015 erhielten wir den Preis dann für den besten Arbeitsplatz in der Kategorie „Chancengleichheit & Diversity“. Ich bin stolz auf unsere Unternehmenskultur und das Team, das wir aufgebaut haben.

Du hast dann von dort zu einer Rolle im Bereich Venturecapital gewechselt. Wie kam diese Veränderung zustande?

Zum Teil steckte bestimmt wieder der Wunsch dahinter, noch mehr zu lernen und sich weiterzuentwickeln. Mit Investitionen hatte ich mich davor noch nicht beschäftigt. Man lernt am besten, wen man neue Dinge ausprobiert. Außerdem habe ich mir die Frage gestellt: „Wie kann ich die 8,5 Jahre bei Polyvore, die höchsten Höhen und die tiefsten Tiefs, die guten und weniger guten Zeiten ausnutzen?“. Einige Erkenntnisse waren wirklich sehr schmerzhaft. „Wie nutze ich das und erziele eine größtmögliche Wirkung?“.

Ich dachte mir, wenn ich der nächsten Generation von Entrepreneuren und Unternehmensgründern helfen könnte, Zeit zu sparen und nicht die gleichen Fehler zu machen wie ich, oder ihnen einfach beratend zur Seite stehen könnte, und wenn ich das dann auf die Unternehmen im Portfolio ausweiten könnte, dann wäre ich sehr zufrieden.

Außerdem gibt es nicht viele Frauen in dieser Branche und das hat meiner Meinung nach Auswirkungen auf die Anzahl der Frauen, denen Geldmittel bereitgestellt wird. Dies beeinflusst wiederum Frauen in Führungsebenen und die Anzahl der Positionen im technischen Bereich, die von Frauen besetzt sind. Es hängt alles zusammen. Und ich dachte mir, dass ich da vielleicht etwas bewegen kann.

Bei deiner Arbeit bei Sequoia siehst du bestimmt sehr viele spannende Vorschläge von interessanten Unternehmen. Welche Bereiche findest du momentan besonders faszinierend, wenn es um Innovation geht?

Es gibt da so viele. Die meiste Zeit verbringe ich mit Verbrauchsgütern, aber das heißt nicht nur Konsumgüter, Internet und Mobilgeräte. Ich habe auch einen ersten Blick auf Robotik für Endnutzer, Produkte im Direktvertrieb, Virtual Reality (VR) und Augmented Reality (AR) geworfen. Da gibt es viel Bewegung. Wirklich faszinierend.

Ich habe das Gefühl, dass wir einen großen Trend in Richtung Technologie sehen, die sich von Geräten entfernt und immer mehr Teil der realen Welt wird. Dazu gehören zum Beispiel Smart-Home-Systeme, E-Commerce mit technologischen Neuerungen oder Technologie, die uns bei unseren täglichen Aufgaben begleitet. Das ist einer der interessantesten Trends. Da ist viel Aktivität zu verzeichnen und ich gehe davon aus, dass sich das noch weiter steigern wird.

Was sind deiner Meinung derzeit die größten Hindernisse für Innovation in Unternehmen?

Ich glaube, der Erfolg schränkt Unternehmen manchmal ein. Sie haben Angst, etwas aufs Spiel zu setzen, oder glauben, dass es nicht gut gehen kann, wenn sie von ihrem Kerngeschäft abweichen. Um das zu vermeiden, ist es am besten, ein ganzes Team zusammenzustellen, das ausschließlich auf Neuerungen ausgerichtet ist. Man sollte hier eine gewisse Abtrennung vornehmen.

Wir haben das in gewissem Maße so gemacht, als Polyvore von Yahoo gekauft wurde. Ein Teil des Polyvore-Teams wurde dafür abgestellt, ausschließlich an neuen Ideen im Bereich Lifestyle zu arbeiten. Während meiner Zeit haben wir vielleicht 5 oder 6 App-Prototypen gefertigt. Wir brauchten dafür in etwa 7 Wochen von der Idee und dem Brainstorming bis zur Veröffentlichung im App-Store.

Wir konnten so einige Ideen testen. Eine davon ist die von Tumblr angebotene Live-Streaming-App Cabana. Daran hat das Polyvore-Team gearbeitet.

Das klingt nach einem guten Ansatz, um der Angst vor Veränderungen entgegenzuwirken, die oft bei großen Unternehmen zu spüren ist. Dabei spielt es auch eine Rolle, dass große Organisationen oft nur schwer die Fahrtrichtung ändern können. Kann man diese Starre irgendwie bekämpfen?

Ich glaube, dass es zum Teil damit zu tun hat, dass der Ton der Unternehmenskultur ganz allgemein festgelegt wird. Unternehmen, die sich neu erfinden und sich immer wieder neu beleben können, sind ein wenig paranoid und stecken sich wirklich sehr hohe Ziele. Wenn man von Anfang an weiß, dass man sich auf seine Kunden konzentrieren möchte… es hängt natürlich vom Produkt ab, aber für einige Unternehmen mit diesem Ziel, wie im Fall der Social-Media-Kommunikation, ist nicht nur die Funktionalität oder Nützlichkeit des Produkts ausschlaggebend, sondern auch der „Coolheitsfaktor“.

„UNTERNEHMEN, DIE SICH IMMER WIEDER NEU ERFINDEN KÖNNEN, SIND EIN WENIG PARANOID UND STECKEN SICH WIRKLICH SEHR HOHE ZIELE.“

Wenn man also akzeptiert, dass man Teil dieses Strebens nach „coolen“ Produkten ist – was definitiv auf einige Hardware und Kommunikations-Apps zutrifft… Ich glaube, Apple hat das verstanden. Und auch Snapchat hat das verstanden. Sie stecken sich sehr hohe Ziele, obwohl es gut läuft. Sie haben trotzdem dieses Verlangen, sich neu zu erfinden, die Messlatte noch höher zu legen und eine neue Idee oder Funktion hervorzubringen. Das ist Teil einer Unternehmenskultur, ein ganz allgemeiner Bestandteil.

Wenn wir von kleineren Unternehmen, Start-ups oder Einzelunternehmen sprechen, ist es für sie natürlich von Vorteil, diese coolen Ideen zu verfolgen. Aber es kann ihnen auch zum Verhängnis werden. Vielleicht ist es manchmal nicht so einfach zu wissen, welche Idee die Mühe wert ist. Wann glaubst du ist der richtige Zeitpunkt gekommen, um eine Idee umzusetzen?

Man weiß, dass eine Idee gut ist, wenn die Leute anfangen darüber zu sprechen. Wenn sie begeistert sind und man nicht einfach „Ja, das ist hilfreich“, sondern „Wow, das ist wirklich cool“ hört. Und dann dieser Wunsch, jemandem anderen davon zu erzählen. So entsteht Mundpropaganda und damit Wachstum und so erkennt man, ob eine Idee es wert ist.

Was würdest du jemandem raten, der dabei ist, sein erstes Unternehmen zu gründen?

Mein erster Rat wäre wahrscheinlich: Denk dir ein hilfreiches Produkt aus, von dem die Nutzer begeistert sind. Zweitens solltest du verstehen, dass tolle Unternehmen in der Regel etwas Zeit brauchen, um zu wachsen. Der Erfolg stellt sich nicht über Nacht ein. Polyvore hat für mich 8,5 Jahre gedauert und die Übernahme durch Yahoo fand nach 7,5 Jahren statt. Es braucht durchschnittlich 8 Jahre, bis eine Start-up erfolgreich ist. Wähle also eine Idee und einen Partner aus, mit denen du die nächsten 8 Jahre verbringen möchtest. Das würde ich Unternehmen ans Herzen legen.

Ich möchte hier nochmal ein wenig einhaken in die Probleme der Unternehmensführung und -kultur, die du erwähnt hast. Einer der Gründe, warum du diese neue Rolle im Bereich des Venturecapitals angenommen hast, ist der Wunsch, dass mehr Frauen in technischen Einsatzfeldern sowie im Bereich der Unternehmensgründung vertreten sind.

Das ist ein Teil der Welt, der noch sehr von Männern dominiert wird. Es gibt zwar viele Frauen, die in diesem Bereich arbeiten, aber ich höre fast jeden Monat eine neue Geschichte darüber, wie kompliziert es für Frauen ist, etwas in der Technologiebranche zu bewirken und voranzukommen. Warum ist das noch immer ein Problem?

Zum Teil liegt das einfach am Zahlenverhältnis. Aber auch fehlende Anerkennung spielt da bisher eine Rolle. Das ist ein Problem. Das Positive an dem ganzen Thema, über das in letzter Zeit viel berichtet wurde, ist, dass es nun ein Gesprächsthema ist. Das spiegelt auch den sich wandelnden Maßstab wider, denn proaktive Frauen haben nicht mehr automatisch einen Nachteil, wenn es um ihre Karriere geht. Das war früher in der Regel so. Diese Bewegung der letzten Monate hat also schon eine Veränderung bewirkt.

Da jetzt viel darüber berichtet wird, merken die Leute, dass das schon immer so war und auch in ihrem Unternehmen vorkam, sie nur nichts davon wussten. Jetzt, da hier ein Bewusstsein geschaffen wird, beginnt die Veränderung.

Das hat zu einem großen Teil auch mit der Unternehmenskultur zu tun. Es gibt ein paar bekannte Beispiele, bei denen die Unternehmenskultur in etwas Negatives umschlug. Das hat dann nicht nur Auswirkungen auf das Unternehmen, sondern kann auch die ganze Wirtschaftslage beeinflussen.

Ich denke hier an einige der bekanntesten Fälle von destruktiver Unternehmenskultur. Dabei handelt es sich oft um sehr große Unternehmen, die viel Aufmerksamkeit erwecken und als Trendsetter gelten. Wenn solche Unternehmen es nicht schaffen, was heißt das dann für die Technologiebranche als Ganzes?

Start-ups machen viele Höhen und Tiefen durch und die Unternehmenskultur kann in schlechten Zeiten der Rettungsanker sein. Wenn es nicht mehr so gut läuft, das Wachstum stagniert und Probleme auftreten, verlassen viele Mitarbeiter das „sinkende Schiff“. Sie gehen, weil keine gute Unternehmenskultur implementiert wurde und sie das schon seit jeher gestört hat. Aber sie waren bereit, darüber hinwegzusehen, weil sie Teil eines erfolgreichen Teams sein wollten. Sobald der Erfolg jedoch ausbleibt, sind sie weg.

Als Gründer eines Unternehmens hat man die volle Kontrolle über die Unternehmenskultur. Man ist selbst derjenige, der mit gutem Beispiel vorangeht, denn man stellt die Leute ja ein. Das kann man selbst steuern, im Gegensatz zur Wirtschaftslage, zum Markt oder zu Mitbewerbern, denn diese Faktoren stellen ein Risiko für Start-ups dar. Es gibt also nicht wirklich eine Ausrede, wenn es nicht funktioniert, denn man hat selbst die Kontrolle darüber. Aber wenn man es klug anstellt, sind Mitarbeiter auch in schlechten Zeiten loyal und bleiben beim Unternehmen, um den Karren aus dem Dreck zu ziehen. Die Voraussetzung ist, dass ihnen die Unternehmenskultur zusagt und sie sich im Team wohlfühlen.

Die Unternehmenskultur ist also etwas, in das man unbedingt investieren sollte, außer man hat vor, immer nur erfolgreich zu sein, was sich in der letzten Zeit ja als unmöglich erwiesen hat. Man kann nicht immer nur gewinnen.

Welchen Einfluss hat die Unternehmenskultur auf Innovation und Kreativität? Wie hast du diese beiden Punkte während deiner Zeit bei Polyvore gefördert?

Bei Polyvore lauteten unsere drei Säulen „Wir wollen unsere Nutzer begeistern“, „Wir wollen in einigen wenigen Dingen wirklich hervorstechen“ und „Wir wollen einen echten Unterschied machen“. Mit neuen Mitarbeitern sprach ich am ersten Tag… Also nachdem der Papierkram erledigt war, traf ich mich mit ihnen und erklärte ihnen diese drei Säulen sehr detailliert und mit Beispielen.

In der Einarbeitungsphase ging es zum Großteil um die Unternehmenskultur. Danach kamen wir dann zum Produkt, zur Strategie und zu den Nutzern. Ich fand, dass es wirklich wichtig war, dass die Mitarbeiter von mir als CEO von der Unternehmenskultur hörten. Das zeigte, wie wichtig das Thema war. Das bot Mitarbeitern auch die Möglichkeit, Fragen zu stellen und die Botschaft wirklich zu verstehen. So versuchte ich, dass die Unternehmenskultur wirklich Teil des Unternehmens wurde.

Zum Thema Innovation möchte ich zum Grundsatz „Wir wollen unsere Nutzer begeistern“ zurückkommen und mit dem verbinden, was ich vorher erwähnt habe. Dieser Wunsch, seine Ziele ständig höher zu stecken und nicht nur ein funktionierendes Produkt anzubieten, sondern die Nutzer damit außerdem zu begeistern. Diese Idee, dass man sich ständig weiterentwickeln und selbst übertreffen möchte.

Ich erkläre das an einem Beispiel. Ich habe schon Apple erwähnt. Nutzer möchten ein schnelleres und besseres Pferd, was sie aber eigentlich brauchen, ist ein Auto. Aber Nutzer sagen nicht, dass sie ein Auto brauchen, da sie nur Pferde kennen. Hier kommt das Unternehmen ins Spiel. Es muss das Auto erfinden.

Und wenn man das Auto dann erfunden hat und die Nutzer total zufrieden sind, muss man an einer Rakete, einem Raumschiff oder was auch immer danach kommt arbeiten.

Es klingt so, als ob das Konzept eines funktionalen Produkts, das die Nutzer begeistert, auch auf einer internen Ebene, in der Unternehmenskultur, Anwendung findet.

Ja, absolut.

Was ist für dich im Bereich des Venturecapitals ein Anzeichen eines „gesunden“ Unternehmens?

Es gibt einige klassische Punkte, auf die jeder in der Branche achtet, zum Beispiel ein großer Markt und ein talentiertes Gründerteam. Für mich persönlich ist auch ein gewisses Durchhaltevermögen wichtig, denn wie gesagt, dauert es ziemlich lange, bis man ein tolles Unternehmen aufgebaut hat. Da braucht es jemanden, der die Höhen und Tiefen durchsteht und auch in wirren Zeiten den Überblick nicht verliert. Danach halte ich also Ausschau.

Eine weitere hilfreiche Eigenschaft ist, etwas Komplexes in einfachen Worten wiedergeben zu können. Das kann man in so vielen Situationen anwenden. Wenn man sein Projekt den Investoren vorstellt, ist das ganz wichtig. Das gilt auch für die Kommunikation mit dem Team. Noch viel wichtiger ist die Fähigkeit, in einem Meeting mit allen Mitarbeitern klar darzulegen, welche Ziele man verfolgt und mit welcher Strategie dies erreicht werden soll. Das sind alles ganz wichtige Punkte. Daher achte ich darauf, ob jemand komplizierte Dinge einfach erklären kann.

Gibt es eine Fähigkeit, die sich alle Geschäftsleute aneignen sollten?

Vielleicht Empathie. Die Fähigkeit, etwas aus dem Blickpunkt des anderen zu sehen. Das ist wirklich hilfreich, sei es der Standpunkt eines Kollegen, Mitarbeiters oder sogar eines Kunden.

Wir haben viel über die Unternehmenskultur und die effiziente Zusammenarbeit im Team gesprochen. Ich möchte nun zur Effizienz von Einzelpersonen kommen. Wie organisierst du deine kostbare Zeit in der Arbeit?

Ehrlich gesagt mache ich Unmengen an Notizen von so gut wie allem. Ich organisiere sie dann nicht unbedingt optimal, aber ich glaube, es ist wichtig, die Informationen zumindest festzuhalten. Ich kann später immer wieder darauf zurückkommen und versuchen, schlau daraus zu werden. Es ist hilfreich, die Informationen zu speichern, und so überhaupt die Möglichkeit zu haben, später Nutzen daraus zu ziehen.

EHRLICH GESAGT MACHE ICH UNMENGEN AN NOTIZEN VON SO GUT WIE ALLEM. ICH ORGANISIERE SIE DANN NICHT UNBEDINGT OPTIMAL, ABER ICH GLAUBE, ES IST WICHTIG, DIE INFORMATIONEN ZUMINDEST FESTZUHALTEN.

Ich verwende dazu meinen Computer und auch Evernote. Ich zeichne gerne und habe immer ein kleines Notizbuch und einen Stift dabei. Daher mache ich auch Notizen auf Papier. Anschließend fotografiere ich sie und speichere sie in Evernote, um sie später durchzusuchen zu können.

Ich weiß, dass die visuellen Notizmethoden, also Sketchnotes, gerade sehr beliebt sind. Verfolgst du einen bestimmten Ansatz? Hast du ein bestimmtes Format? Verwendest du Symbole als Abkürzungen?

Nein, ich habe da keine bestimmte Struktur. Meine Zeichnungen sehen wahrscheinlich eher wie Kritzeleien aus.

Ich notiere Dinge während eines Meetings und schaue mir die Notizen später dann noch einmal an, organisiere sie und zeichne dabei zum Beispiel Trennlinien oder kleine Formen. Ich versuche, die Ideen zusammenzufassen, und dabei springen mir die wichtigsten Punkte dann später wieder ins Auge, zum Beispiel wichtige Zahlen. Manchmal hebe ich besonders interessante Infos visuell hervor.

Notizen sind also ein wichtiges Element bei der Verwaltung deiner Zeit. Was setzt du sonst noch ein? Verwendest du bestimmte Tools?

Ich glaube, es geht mir einfach darum, alles zu dokumentieren. Für wichtige Dinge, die ich jede Woche zu tun habe und die ich nicht verpassen darf, habe ich eine fortlaufende Liste . Also im Prinzip muss ich immer auf dem neuesten Stand sein und mit Unternehmen, in die wir möglicherweise investieren, in Kontakt bleiben. Dabei achte ich ganz besonders darauf, Aufgaben auch wirklich zu erledigen.

Mein Gehirn ist nicht besonders organisiert, sondern eher eine Art Blackbox. Da entstehen dann plötzlich Verbindungen und ich habe ein Aha-Erlebnis, wenn ich auf ein Unternehmen, einen Trend oder eine Idee zurückkomme. Und ich habe in Evernote dann bereits alle Informationen zur Hand und kann sie ganz einfach durchsuchen.

Dabei geht es bei Kreativität und Innovation ja schließlich, oder? Darum, eine Verbindung zwischen Dingen zu entdecken, die man zwar bereits kennt, aber noch nicht verknüpft hat.

Wir bekommen in unserem Leben so viel Input von unserer Umgebung. Wir erhalten ständig Nachrichten von vielen verschiedenen Apps und anderen Quellen und man erwartet von uns, dass wir sie alle registrieren und darauf reagieren. „Informationsüberflutung“ ist kein neuer Begriff. Wir kennen das Phänomen nun schon seit Jahrzehnten, aber das Thema ist noch immer sehr aktuell. Wie gehst du damit um?

Ich versuche, mein Gehirn nicht überfluten zu lassen. Wenn etwas nicht unmittelbar in dem Moment wichtig ist, drücke ich es weg und hoffe, dass meine Blackbox es zum richtigen Zeitpunkt wieder hervorbringt und diese neue Verbindung geschaffen wird. Ich glaube, es ist wichtig, den Überblick zu behalten. Dabei hilft mir zum Beispiel Yoga. Das ist ein kleiner Beitrag, den ich dazu leisten kann.

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