Evernote Nutzen

So habe ich meinen Roman komplett in Evernote geschrieben

Wie viele Autoren sah ich Evernote früher nur als eine Komponente von vielen in einem größeren System. Ich bewahrte meine ersten allgemeinen Ideen und die Ergebnisse meiner Recherche in Evernote auf, doch die Entwürfe verfasste ich in einer anderen Anwendung. Aber ich wechselte diese Tools zum Schreiben nach Lust und Laune, manchmal sogar mitten in einem Projekt. Word, Scrivener, Google Docs, Ulysses – ich habe sie alle ausprobiert. Jede Anwendung hat seine Stärken, aber ich fand einfach kein System, dass mich vollkommen überzeugte.

Über die Jahre hinweg gewöhnte ich mich immer mehr an Evernote und hielt verschiedenste persönliche Gedanken und berufliche Projekte darin fest. Und dann entschied ich, dieses Hin und Her zwischen verschiedenen Anwendungen hinter mir zu lassen und einen Kurzroman von 10.000 Wörtern komplett in Evernote zu schreiben, ohne eine andere Plattform zu nutzen. Das war natürlich ein wenig riskant, vor allem da ich einen Abgabetermin für die Veröffentlichung in einem Sammelband hatte, aber das Experiment lief besser als ich gedacht hatte.

Als mein Gehirn nicht mehr zwischen zwei verschiedenen Nutzeroberflächen und Menüs wechseln musste, stieg meine Produktivität. Anstatt stundenlang mit Einstellungen und Stiloptionen herumzuspielen (das ist eines der Dinge, wo ich am meisten Zeit verliere), konnte ich einfach schreiben. Mit Evernote Premium auf meinem Laptop zu Hause, in der Arbeit und auf meinem Smartphone konnte ich jederzeit einen Satz oder zwei einfügen, egal wo ich gerade war, und zwar in der App, in der ich auf allen anderen Geräten auch arbeitete. Mir ging keine einzige Idee verloren, da ich meine Geschichte immer zur Hand hatte.

Forrest Dylan Bryant im Anzug mit Roter Fliege und Hut

Der Autor bei der Veranstaltung „Night of Writing Dangerously“ des NaNoWriMo 2014. Die farbliche Übereinstimmung der Fliege und des Hintergrunds ist reiner Zufall.

Nachdem ich dieses System bei ein paar kurzen Romanen ausprobiert hatte, hatte ich den Dreh raus und konnte weiterdenken. 2015 nahm ich am National Novel Writing Month teil und verwendete nur Evernote. Die ganzen anderen Anwendungen ließ ich außen vor. Und dieses Jahr mache ich es wieder so. Und so funktioniert das Ganze:

Der Aufbau: von Notizbüchern bis zu Schlagwörtern

Auch wenn ihr schon mit dem Schreiben begonnen habt, nehmt euch ein wenig Zeit, um eure Inhalte zu organisieren. Ihr werdet sehen, es ist die Mühe wert! Dies sind die drei Hauptbestandteile des Aufbaus:

Schritt 1: Notizen und Notizbücher

Für ein Projekt von der Länge eines Romans solltet ihr ein eigenes Notizbuch für den Roman erstellen. Jedes Kapitel ist eine eigene Notiz. Neben den Entwürfen der Kapitel erstelle ich noch einige zusätzliche Notizen:

  • Ausschnitte: In dieser Notiz halte ich alle diese unzusammenhängenden Gesprächsfetzen und Beschreibungen fest, die mir während des Tags so einfallen. Das gilt auch für Dinge, von denen ich noch nicht weiß, wie ich sie dann schlussendlich verwenden werde. (Tipp: Wenn ihr am NaNoWriMo teilnehmt, berücksichtigt diese Notiz in der Berechnung eurer Wortanzahl.)
  • Ungelöste Fragen: Ich beginne jeden Tag damit, das zu lesen, was ich am Vortag geschrieben habe. Dabei notiere ich alle Handlungsstränge, die noch nicht richtig abgeschlossen sind. Dieser Schritt hilft mir dabei, ein akkurateres Ende zu schreiben und spart mir eine Menge Zeit, wenn ich mit dem Redigieren beginne.
  • Gelöschte Szenen: Manchmal kann ich es nicht vermeiden, schon beim Erstellen des Entwurfs zu redigieren. Wenn ich dabei eine Szene rausschneiden möchte, bewahre ich sie hier für alle Fälle auf.

Ihr könnt natürlich auch Unmengen anderer Notizen für die Recherche (ich empfehle eine Notiz pro Thema), Charakterbeschreibungen und Planung der Geschichte erstellen.

Schritt 2: Benennung und Sortierung

Der nächste Schritt besteht darin, eine einheitliche Methode zur Benennung der Notizen zu entwickeln, damit ihr immer wisst, worum es in welcher Notiz geht.

Für Kapitel verwende ich das Format „[ROMAN] Kapitel 01: Kapitelname“.

Für meine Protagonisten verwende ich „[ROMAN] Figur: Angelica de Rothburg“. Notizen mit Ergebnissen meiner Recherche nenne ich „[ROMAN] Recherche: Nützliche arabische Aussprüche“ usw. Wählt ein Format aus, das zu eurem Roman passt, und wendet es konsequent an.

Hinweis: „ROMAN“ in diesen Beispielen ist nur ein Platzhalter. Ich verwende normalerweise drei Buchstaben für jedes Projekt. So ist alles verständlich gekennzeichnet und ich verwechsle Projekte nicht. Für den Roman „Five Fingers of Fate“, an dem ich gerade schreibe, beginnt jede Notiz zum Beispiel mit [FFF].

Sortiert eure Notizliste anschließend alphabetisch nach Titel. Das ist besonders in der Kapitelliste sehr hilfreich, da sie so in der richtigen Reihenfolge angezeigt wird. Wenn ihr lieber eure zuletzt bearbeiteten Notizen ganz oben sehen möchtet, könnt ihr diese Einstellung jederzeit wieder rückgängig machen.

Notizliste alphabetisch sortiert

Schritt 3: Schlagwörter und Schnellzugriffe

In diesem Schritt heben wir unsere Notizen auf eine ganz neue Ebene. Ohne Schlagwörter sind diese Notizen viel schwieriger zu finden. Ziel ist es, so schnell wie möglich auf die richtige Notiz zu stoßen, ohne erst suchen zu müssen. Für einen Roman erstelle ich eine Reihe spezieller Schlagwörter für jeden Notiztyp:

  • roman
  • roman-kapitel
  • roman-figuren
  • roman-orte
  • roman-handlung
  • roman-recherche

Hinweis: Ich verwende in diesen Beispielen wieder „roman“, aber es ist wichtig, für jedes Projekt eigene Schlagwörter zu erstellen, sonst bekommt ihr Notizen aus verschiedensten Geschichten vermischt angezeigt. Ich verwende für Schlagwörter die gleichen drei Buchstaben, die ich auch in den Notiztiteln einsetze.

Wenn ich eine neue Notiz zu einem Projekt hinzufügen, achte ich stets darauf, das allgemeine Schlagwort für den Roman und das spezifische Schlagwort für den Notiztyp hinzuzufügen.

Nachdem ihr alle Schlagwörter zugewiesen habt, könnt ihr zum Beispiel nach „roman-kapitel“ suchen, um alle Kapitel in der Notizliste und sonst nichts anzuzeigen. Noch einfacher: Erstellt einen Schnellzugriff für jedes Schlagwort, dann müsst ihr nicht mal mehr suchen. Klickt einfach auf das Schlagwort in der Liste der Schnellzugriffe und schon werden die entsprechenden Notizen angezeigt.

Geheimtipp 1: Wenn ihr noch einen Schritt weitergehen wollt, fügt Emojis zu den Schlagwörtern hinzu, um sie noch schneller zu finden.

Geheimtipp 2: Erstellt zusätzliche Schlagwörter für jede Hauptfigur. So könnt ihr zum Beispiel die Kapitel anzeigen, in denen eine bestimmte Figur vorkommt. Dies hilft euch dabei, die Figur im Auge zu behalten, während euer Roman Form annimmt.

Dashboard für euren Roman

Wenn ich an einem wirklich langen Projekt wie einem Roman arbeite, sind mir Notizlisten nicht genug. Ich möchte einen zentralen Ort, an dem ich das Ganze von Anfang bis Ende verwalten kann. Hier kommt die Dashboard-Notiz ins Spiel.

Diese Notiz nenne ich zum Beispiel „[ROMAN] .DASHBOARD“ und füge ihr alle Schlagwörter hinzu, die ich für mein Projekt erstellt habe. Damit wird diese Notiz immer angezeigt, wenn ich nach einem der Schlagwörter filtere. Durch den Punkt vor „DASHBOARD“ erscheint die Notiz immer ganz oben in der Notizliste, wenn ich sie alphabetisch ordne.

Was enthält eine Dashboard-Notiz? So gut wie alles.

  • Allgemeine Informationen: Ganz oben in der Notiz erstelle ich eine einfache Tabelle, in der ich den Namen des Romans, das Genre, die gewünschte Länge in Wörtern und die Serie notiere. Ich füge auch eine Zusammenfassung des Romans in einem Absatz hinzu (mit dem Link zum Arbeitsblatt, in dem ich die Grundlagen des Romans aufgeschrieben habe). Im Fall von NaNoWriMo speichere ich auch Links zur Website und zum Forum von NaNoWriMo sowie zu einer Google-Tabelle, in der ich meinen Fortschritt der Wortanzahl im Laufe des Monats festhalte.
  • Status-Checkliste: Hier hake ich Aufgaben ab, wenn ich sie angehe und erledige. Dazu gehören zum Beispiel das Festhalten der Grundlagen meiner Geschichte, das Formulieren der Handlung und das Schreiben eines Entwurfs. Wenn es dann Zeit zum Redigieren ist, füge ich auch diese Aufgabe hier hinzu.
  • Zusammenfassung der Handlung: Dies ist umfangreicher als die Grundlagen. Hier beschreibe ich die Geschichte vom Anfang bis zum Ende in vier oder fünf Absätzen. Wenn ich mitten in der Entwurfsphase den Faden verlieren sollte (was bestimmt der Fall ist), kann ich immer wieder zu dieser Zusammenfassung zurückkommen und mir in Erinnerung rufen, wohin ich möchte und warum.
  • Aufgliederung der Kapitel: In dieser Tabelle fasse ich in einer Zeile zusammen, was in jedem Kapitel passieren wird (oder was ich glaube, dass passieren wird). Wenn ich mich gerade inspiriert fühle, fülle ich diese Tabelle schon zu Beginn aus, aber meistens schreibe ich diese Synthese nach und nach. Jede Zeile hat ein Kontrollkästchen. So sehe ich auf den ersten Blick, wie weit ich mit der Geschichte schon vorangekommen bin. Ich füge außerdem Links zu jeder Kapitelnotiz hinzu, damit ich direkt zu einem bestimmten Kapitel springen kann, wenn ich das möchte.

Kapitel Gliederung Tabelle

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Und das ist auch schon alles! Dieses System funktioniert möglicherweise nicht für jedermann. Ich habe es mit der Zeit ausgearbeitet und an meine Eigenarten und Gewohnheiten angepasst. Doch für mich war es ungemein hilfreich, um meine ungeordneten Gedanken zu ordnen und mich auf mein Ziel in NaNoWriMo oder anderen großen Schreibprojekten zu konzentrieren. Ich hoffe, es ist auch für euch hilfreich.

Viel Glück beim Abenteuer Schreiben!

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