Produktivität

Vergiss die Work-Life Balance – auf den richtigen Blend kommt es an

Work-Life-Balance.

Das Wort klingt erst einmal ganz gut, nicht wahr? Wir alle hätten sie gerne, und warum auch nicht? Man stellt sich den perfekten 50/50-Gleichgewichtszustand vor, an dem man alle anliegenden Arbeiten auf magische Weise erledigt hätte und trotzdem noch Zeit bliebe, zum Yoga zu gehen, selbstgemachte Bouillon zu kochen, 8 Stunden Schlaf zu bekommen und alles andere, was Instagram einem so einflüstert, das man zu tun hätte, um ein rundum zufriedener Mensch zu sein.

In der Realität sieht es eher so aus: Man arbeitet an einem dringenden Bericht, muss aber das Büro früher verlassen, weil ein längst fälliger Besuch beim Zahnarzt ansteht. Oder man ist zuhause gerade dabei, ein tolles Mahl vorzubereiten, als eine wichtige E-Mail eintrifft, die man nur schnell beantworten will – und als nächstes stellt man fest, dass in der Zwischenzeit das ganze Essen angebrannt ist und es wieder nur Instantnudeln geben wird. Oder irgendeines der tausend anderen Szenarien, die uns allen schon passiert sind, und das so ziemlich jeden Tag.

Einfach ausgedrückt, wenn man bei der Arbeit ist, sickert das private Leben durch, und wenn man zuhause ist, ist das Gehirn oft noch bei der Arbeit. Häufiger ist es eine Kombination all dieser Dinge, die alle gleichzeitig auftreten. Und wenn man dann eine Mustervorstellung von ausgewogener Perfektion im Hinterkopf hat, kann man als ständige Nebenwirkung das Gefühl bekommen, an beiden Fronten zu versagen.

Was wir auch versuchen, die richtige Work-Life-Balance scheint immer ein Ziel zu sein, das es noch zu erreichen gilt. Sie wartet gleich um die nächste Ecke auf uns, ohne dass wir sie je erreichen. Wir denken dann, dass wir sie vielleicht doch erreichen können, wenn wir uns nur ein wenig umorganisieren, früher aufwachen oder uns einfach etwas mehr anstrengen.

Aber vielleicht besteht das Problem gar nicht in unserem Tun, sondern im Konzept der Work-Life-Balance an sich. Vielleicht ist es an der Zeit für eine neue Richtschnur: den Work-Life-Blend.

Ein gesundes Gleichgewicht

Eine in der American Sociological Review veröffentlichte Studie fand heraus, dass sieben von zehn Angestellten in den USA mit diesem Problem zu kämpfen haben – du bist also nicht alleine! Aber sich darüber klar zu werden, ist tatsächlich sehr wichtig. Nicht nur für deine eigene geistige Verfassung, sondern auch für deine Gesundheit, deine Produktivität und das Endergebnis deines Unternehmens.

Eine Studie ergab, dass ein Konflikt zwischen Arbeit und Familie das Risiko für eine schlechte Gesundheit um 90 Prozent erhöhen kann; eine weitere Studie kam zu dem Ergebnis, dass arbeitsbedingter Stress das Sterberisiko um fast 20 Prozent erhöhen kann. Der Abbau von Stress zwischen Arbeits- und Privatleben bringt hingegen zahlreiche Vorteile mit sich, beispielsweise verringerter Bluthochdruck, besserer Schlaf, geringerer Alkohol- und Tabakkonsum, weniger Spannungen in der Ehe und bessere Eltern-Kind-Beziehungen. Es stellte sich also heraus, dass sich die Art und Weise, wie man arbeitet, direkt darauf auswirkt, wie gut (und wie lange) man lebt.

Wenn man bedenkt, wie wichtig sie zu sein scheint, warum ist eine gute „Work-Life-Balance“ dann in der Realität so schwer zu erreichen?

Die richtigen Worte finden

Meetings und Präsentationen, Besorgungen und Termine, Telefonkonferenzen und Recherchen, Schmutzwäsche und Schnellimbisse, Haustiere und Trinklernbecher – sie alle sind Fäden im Gewebe dieser Kleinigkeit namens Leben.

In gewisser Weise bereitet die Vorstellung, Arbeit und Leben als zwei getrennte Dinge zu betrachten, die es auszubalancieren gilt, bereits das Scheitern vor.

Zum einen impliziert „Balance“, dass einer der Komponenten etwas Negatives anhaftet, dem du entgegenwirken müsstest – wie bei der dunklen Seite der Macht. Aber es ist nichts Negatives daran, sowohl einen Job als auch ein Leben zu haben.

Entscheidender ist jedoch, dass die Arbeit in Wahrheit keine „andere“ Sache ist, die dein ganzes Leben überschattet. Viel mehr ist sie ist ein wesentlicher Teil deines Lebens. Selbst wenn du deinem Hauptberuf nicht mit größter Leidenschaft nachgehst, verwendest du dennoch einen Großteil deiner Zeit auf sie.

Meetings und Präsentationen, Besorgungen und Termine, Telefonkonferenzen und Recherchen, Schmutzwäsche und Schnellimbisse, Haustiere und Trinklernbecher – sie alle sind Fäden im Gewebe dieser Kleinigkeit namens Leben. Im Rahmen der Work-Life-Balance behandeln wir sie als unterschiedliche Dinge, deren Einzelstränge wir voneinander zu trennen versuchen. Es ist eine anstrengende, unrealistische und unnötige Übung, der wir uns damit unterziehen.

Die „Work-Life-Balance“ hat also ausgedient. Wir brauchen etwas anderes. Etwas Fließenderes. Etwas, das der Art und Weise gerecht wird, in der wir tatsächlich arbeiten, leben und zwischendurch all die Dinge tun, die zwischen dem ersten Öffnen der Augen am Morgen und dem Zubettgehen am Abend geschehen. Wir müssen uns stärker auf einen Work-Life-Blend konzentrieren, die richtige Mischung zur Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben.

Schritte hin zu einem Work-Life-Blend

Beim Work-Life-Blend geht es nicht darum, dass alle Dinge ständig gleichzeitig geschehen. Es geht darum, einen Weg zu finden, die wichtigen Teile zusammenzusetzen.

In Wahrheit erfordert es einige Anstrengungen, um vom Ideal der Work-Life-Balance dazu überzugehen, mit der Wirklichkeit des Work-Life-Blends zufrieden zu sein. Es wird chaotisch, es wird schwer, aber am Ende zahlt es sich aus.

Nachfolgend findest du einige Tipps, wie du den Work-Life-Blend kultivieren und üben kannst.

1. Akzeptiere die Vermischung.

Wie bei fast allem, besteht der erste Schritt im Akzeptieren. Wir müssen uns mit der Tatsache abfinden, dass der Work-Life-Blend unserer tatsächlichen Lebenswirklichkeit entspricht, statt nach Perfektion zu streben. Wir dürfen nicht zulassen, dass der diffuse Druck, „alles haben zu müssen“, durch die Nahtstellen des Lebens hereinströmt und wir uns wie Versager fühlen.

Keine Frage, das kann schwierig sein. Insbesondere dann, wenn man durch einen Feed mit perfekt aufbereiteten Fotos von Leuten scrollt, die es verwirklicht zu haben scheinen. „Viele Leute versuchen, die Balance zu perfektionieren, oder behaupten, es geschafft zu haben. Aber tatsächlich haben sie nur ihre Prioritäten drastisch zurückgefahren, sodass sie in Wirklichkeit lediglich an weniger Dingen arbeiten“, sagt Joshua Zerkel, ein anerkannter professioneller Organisator, Produktivitätsexperte und ehemaliger Leiter der Evernote-Community. „Der Schlüssel liegt darin, die Realität anzuerkennen und sich anschließend Strategien einfallen zu lassen, um innerhalb des eigenen bunt gemischten Lebensstils Prioritäten zu setzen – und zwar in dem Wissen darum, dass dies die Grundvoraussetzung ist“, fährt er fort.

2. Mache dir deine Prioritäten klar.

Das Nichtgelingen der Work-Life-Balance liegt zum Teil schlicht daran, dass es ziemlich schwierig ist, alles zu schaffen. „Die größte Herausforderung bei dem Versuch, ein im Gleichgewicht befindliches oder auch ein bunt gemischtes Leben zu führen, besteht für die meisten Leute darin, dass sie einfach alles darin unterbringen wollen“, merkt Zerkel weiter an.

Und einfach alles tun zu wollen, ist nicht wirklich ein Plan (und schon gar keine Balance). Beim Work-Life-Blend geht es nicht darum, dass alle Dinge ständig gleichzeitig geschehen. Es geht darum, einen Weg zu finden, die wichtigen Teile zusammenzusetzen.

„Für mich ist der Work-Life-Blend vergleichbar mit Tetris“, sagt Zerkel. „Man muss die Teile seines Lebens so einfügen, das es für einen selber Sinn ergibt. Der Unterschied besteht darin, dass man die Wahl hat, welche Blöcke eingefügt werden, statt nur einen großen Stapel von Blöcken vor sich zu haben, der einem Angst einflößt.“

Finde für dich heraus, welche wesentlichen Elemente du an deinen Tagen erreichen möchtest – sei es Fitness, Selbstfürsorge, Mahlzeiten mit der Familie, etc. – und plane sie regelmäßig in deinem Kalender ein. Behandle sie mit der gleichen Ernsthaftigkeit, die du in Bezug auf deine Meetings und Fertigstellungsfristen bei der Arbeit an den Tag legst.

3. Setze dir Grenzen.

Sobald du die Puzzleteile bestimmt hast, die dir am wichtigsten sind, musst du dir die Zeit nehmen, sie zu verwirklichen. „Ich bin ein großer Fan des Timeboxings“, erklärt Zerkel. „Plane zunächst Zeit und Platz für private Dinge ein und anschließend für arbeitsbezogene Dinge. Wenn man sich einen lockeren Rahmen vorgibt, nach dem man seine Zeit verbringen will, fühlt sich das Ganze am Ende nicht nach dem üblichen überwältigenden Durcheinander an.“

Ein weiteres Puzzleteil besteht natürlich darin, zu wissen, dass sich die zeitlichen Grenzen manchmal verschieben und überlappen werden – und damit muss man sich abgefunden haben. „Deine Zeitbegrenzungen werden definitiv nicht immer halten“, merkt Zerkel an. „Es ist völlig okay, wenn du in einer Woche mal länger an deinem Projekt arbeitest oder das Familienessen verpasst.“ Sich einzugestehen, dass die Dinge unvollkommen sind und sich natürlich überschneiden, ist entscheidend für das Funktionieren des gesamten Vorhabens. Deine Grenzen dürfen nicht so starr sein, dass sie keinen Platz für die Unregelmäßigkeiten des wirklichen Lebens lassen.

Auch wenn man Überschneidungen nicht gänzlich vermeiden kann, so kann man sie doch minimieren. Probiere kleinere Taktiken aus, verwende beispielsweise einen anderen Computer für private Aufgaben, damit du nicht verleitet wirst, neu eingetroffene Slack-Nachrichten für die Arbeit zu lesen.

4. Behalte im Blick, wie es dir damit geht.

Nachdem du deine Prioritäten festgelegt und grobe Richtlinien für deine Zeiteinteilung aufgestellt hast, musst du dich selbst fragen, wie es dir mit deiner neuen Vorgehensweise geht.

Ryan Smith, Mitbegründer von Qualtrics, entwickelte für sich ein wöchentliches System zur Bewertung seiner Fortschritte. „Jede Woche unterziehe ich die verschiedenen Rubriken meines Lebens – Vater, Ehemann, CEO, mich selbst – einer Prüfung und ermittle die relevanten Handlungen, die mir helfen, mich in den jeweiligen Funktionen erfolgreich und erfüllt zu fühlen“, sagt er. „Dieses wöchentliche Ritual verleiht mir das Gefühl, alles in meiner Macht Stehende zu tun, um auf meine eigenen Bedürfnisse und die der Menschen um mich herum einzugehen.“

Egal, ob du es in einem Tagebuch oder mit einer Vorlage in Evernote tust, verfolge täglich, wöchentlich oder monatlich, wie es dir in Bezug auf deinen Work-Life-Blend geht. Wenn es sich nicht nach der richtigen Mischung anfühlt, lass dir eine Taktik einfallen, um einige Anpassungen vorzunehmen.

5. Sei dir darüber im Klaren, dass es sich um einen Prozess handelt.

Wie bei jeder neuen Gewohnheit oder Veränderung, handelt es sich dabei nicht um eine einmalige Angelegenheit, die anschließend erledigt wäre. Man kann nicht einfach den Work-Life-Blend auf seiner To-Do-Liste abhaken. „Es ist verlockend, zu denken, okay, morgen werde ich meinen Work-Life-Blend verwirklicht haben“, sagt Zerkel, „aber so funktioniert es natürlich nicht.“

Es ist unerlässlich, für sich akzeptiert zu haben, sich umzugewöhnen und zu entwickeln. Denn schließlich bedeutet Work-Life-Blend auch, dass es keine bestimmten Kennzahlen oder Quoten gibt, die es zu erreichen gilt. „Es sind Schritte in einem fortlaufenden Prozess, der erst endet, wenn man stirbt – oder man besorgt sich viele Assistenten, die einem dabei helfen, alles zu bewältigen“, merkt Zerkel ironisch an.

Du wirst immer optimieren und nachjustieren müssen, und vermutlich wirst du ständig das Gefühl haben, die Verhältnisse nicht richtig geregelt zu bekommen – aber wie bei jedem guten Rezept, neigen die Dinge dazu, zu funktionieren, wenn man alle Zutaten beisammen hat.

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