2017/11/01

Die produktivsten (und weniger produktiven) Tageszeiten

In einer perfekten (oder zumindest effizienteren) Welt könnten wir jederzeit produktiv arbeiten. Wir würden uns einfach hinsetzen und die Details einer genialen Idee in unseren Computer eintippen oder aufschreiben und eine erfolgreiche App oder den nächsten Fidget Spinner erfinden. Leider kann man Produktivität jedoch nicht so einfach einschalten. Wir müssen uns an den Höhen und Tiefen unserer Energie- und Kreativitätskurve orientieren. Und diese Produktivitätseinbrüche sind sogar sehr wichtig, denn so lassen uns unser Gehirn und Körper wissen, dass sie eine Pause gebrauchen könnten.

Man kann und sollte diese weniger produktiven Stunden des Tages nicht ignorieren, aber ihr könnt ganz einfach herausfinden, wann ihr in Topform seid, und diese Momente dann optimal nutzen. Die Ziele, die ihr euch in Sachen Produktivität setzt, erreicht ihr nicht nur durch ein ausgeklügeltes Zeitmanagement, sondern vor allem dann, wenn ihr wisst, zu welcher Tageszeit ihr herausfordernde und kreative Aufgaben am besten bewältigt.

Unser biologischer Rhythmus

Wir Menschen haben einen inneren Rhythmus von 24 Stunden, auch innere Uhr genannt. Dies führt dazu, dass wir jeden Tag um etwa die gleiche Zeit schlafen gehen, aufwachen und am konzentriertesten sind. Dieser 24-Stunden-Zyklus wird als „circadianer Rhythmus“ bezeichnet, in dem sich 90-minütige Abschnitte erhöhter Produktivität und Konzentration mit Ruhephasen abwechseln. Diese geblockte Zeit höchster Aufmerksamkeit wird „ultradianer Zyklus“ genannt. Der Begriff ultradianer Rhythmus steht für die Oszillation unseres biologischen Systems. Zu Beginn eines solchen Zyklus sind unsere Energie und Konzentration auf dem höchsten Stand und nehmen dann mit der Zeit langsam ab. Am Ende des Zyklus kann man zwar weiterarbeiten, aber man ist einfach nicht mehr so effektiv wie zu Beginn. Es ist dann an der Zeit, unserem Gehirn eine Pause zu gönnen.

Wenn wir also in dieser Zeit weiterarbeiten, sollten wir uns darüber im Klaren sein, dass unsere Konzentration und Energie dabei viel geringer ist. Forschungen im Bereich der Produktivität haben einen neuen Ansatz hervorgebracht. Man sollte seinen eigenen ultradianen Rhythmus erkennen, also herausfinden, wann man am produktivsten ist, um genau dann Projekte anzugehen, die ein hohes Maß an Kreativität, Problemorientierung und Entscheidungsfindung erfordern. Kümmert euch also in euren Momenten der Hochform um die schwierigen, herausfordernden und komplexen Angelegenheiten. Routineaufgaben, einfachere Probleme und Dinge, die weniger Denkarbeit und Kreativität erfordern, könnt ihr euch dann für die ultradianen Ruhezeiten aufheben. Diese Zeit ist eine Art Erholungsphase für eure Konzentration.

Wenn man also produktiver arbeiten möchte, muss man seine ultradianen Zyklen kennen. Herauszufinden, wie die eigene innere Uhr tickt, ist einfacher, als ihr vielleicht glaubt.

Die eigene innere Uhr verstehen

Man könnte jetzt ganz allgemein sagen, dass man zum Beispiel ein Nachtmensch ist und daher eher am Abend arbeiten möchte oder aber ein Frühaufsteher und man am liebsten die Morgenstunden für konzentriertes Arbeiten nutzt. Aber man sollte die Sache etwas systematischer angehen. Erfasst stattdessen euer eigenes Verhalten. Notiert euch jeden Tag stündlich und in etwa zur gleichen Zeit, wie konzentriert, motiviert und energisch ihr gerade arbeitet. Falls sich eure Routine an einem Tag ändert, haltet die Details fest, durch die eure Werte eventuell beeinflusst werden.

EXPERTENTIPP: Mit dieser Vorlage könnt ihr euren circadianen Rhythmus in Evernote notieren. Bewertet eure Verfassung auf einer Skala von 1 bis 5.

Nach nur ein paar Tagen zeichnet sich ein Muster ab und ihr erkennt, wann eure Konzentration, Energie und Motivation am höchsten und niedrigsten sind. Nach ein bis zwei Wochen habt ihr bereits konsistente Hinweise darauf, zu welcher Tages- oder Nachtzeit euer ultradianer Zyklus euch zu Höchstleistungen in Sachen Produktivität verhelfen kann.

Erkenntnisse praktisch umsetzen

Da ihr jetzt wisst, wann ihr am wahrscheinlichsten in Topform seid, könnt ihr diese Zeitabschnitte für unterbrechungsfreie Arbeit nutzen. Hier findet ihr ein Beispiel eines ultradianen Arbeitszyklus, der auf optimale Produktivität ausgelegt ist:

  • 8 Uhr: Aus euren Daten geht hervor, dass ihr gleich zu Beginn eines Arbeitstages einen ultradianen Zyklus habt. Setzt euch an den Computer und konzentriert euch 90 Minuten auf euer Projekt.
  • 9:30 Uhr: Zeit für eine Pause! Steht auf und holt euch einen Kaffee, dreht eine Runde um das Gebäude oder geht 20 Minuten mit dem Hund Gassi.
  • 10 Uhr: Setzt euch nach der kurzen Erholung wieder an euren Schreibtisch und legt mit der zweiten Runde los.
  • 11:30 Uhr: Nun ist es an der Zeit, eure Aufmerksamkeit für einige Stunden weniger komplexen Dingen zu widmen, zum Beispiel kurzen Meetings mit Kollegen, E-Mails und anderen täglichen Aufgaben.
  • 15 Uhr: Schließt euren Nachmittag (oder Abend oder eure Nacht, je nachdem, wann eure nächste Höchstleistungsphase ist) mit einem letzten 60-minütigen Produktivitätszyklus ab.

Vorbereitung für Hochleistungsphasen

Vergeudet eure Phasen höchster Produktivität nicht durch zu wenig Vorbereitung. Ultradiane Zyklen sollten dafür genutzt werden, komplexe Probleme zu lösen, schwierige Fragen zu beantworten und kreative Lösungen zu finden. Bereitet euch auf diese Abschnitte vor, um euch voll auf die Aufgaben zu konzentrieren und nicht nach 20 Minuten eine Pause einlegen zu müssen, weil ihr euren Laptop aufladen oder den Ofen ausschalten müsst. Ihr solltet in diesen Phasen konzentriert, hellwach und konzentriert arbeiten. Schützt euch daher vor Unterbrechungen und unnötigen Ablenkungen.

Unterbrechungen lassen sich nicht immer vermeiden

Wir empfehlen zwar im Hinblick auf den ultradianen Zyklus 90 bis 120 Minuten der produktiven Arbeit zu widmen, aber oft kann man Unterbrechungen einfach nicht verhindern. Herauszufinden, wann man am produktivsten arbeitet, ist nur die halbe Miete. Äußere Einflüsse von Kollegen und dem Chef, durch Telefonanrufe und die eigenen Kinder funken einem da erschreckend oft dazwischen. Man schafft nicht immer alles, was man sich vorgenommen hat, und dagegen kann man auch nur wenig tun.

Was ihr jedoch machen könnt, ist herauszufinden, wie eure ultradianen Zyklen auf den Tag verteilt sind, und eure Arbeit dann so zu planen, dass eure Hochleistungsphase mit dem Tagesabschnitt zusammenfällt, in dem ihr am wenigsten abgelenkt seid. Ihr arbeitet sehr konzentriert zwischen 10 und 14 Uhr, aber eure Kollegen sind gegen Mittag immer sehr gesprächsfreudig? Dann surft nicht bis 11:45 Uhr im Internet und versucht dann alles in den letzten 15 Minuten zu erledigen, sondern startet direkt um 10 Uhr durch.

Kreative Zyklen

Für manchen Menschen sind nicht so sehr die Unterbrechungen das Problem, sondern ihr eigener innerer Rhythmus. Nicht bei jedem fallen die ultradianen Zyklen in die regulären Arbeitsstunden. Ihr müsst in diesen Fällen kreative Lösungen finden, wie ihr eurem Rhythmus am besten gerecht werdet. Als Frühaufsteher geht man etwas früher schlafen und nutzt dann die Stunden vor dem Sonnenaufgang, um in Ruhe und mit voller Konzentration zu arbeiten. Andere wiederum arbeiten am besten abends, wenn sich das Büro schon geleert hat.

Suppenkoma – die Müdigkeit nach dem Essen

Im Allgemeinen ist man am unproduktivsten, wenn man mehr als 50 Stunden pro Woche arbeitet, da unser Gehirn einfach ausgelaugt istStudien zufolge ist die Müdigkeit nach dem Essen ein Hauptfaktor dafür, dass wir gegen 14:55 Uhr ein absolutes Produktivitätstief haben. Das ist ein guter Zeitpunkt, um uns etwas die Beine zu vertreten und uns für den Endspurt des Arbeitstages vorzubereiten.

Effizienter arbeiten

Wenn man die Stunden nutzt, in denen man höchst konzentriert ist, bringt man am meisten voran und kann effizientere Arbeit leisten. Aber vergesst dabei nicht das eigentliche Ziel: in Spitzenzeiten produktiver arbeiten und zurückstecken, wenn man ein Tief hat. Wir versuchen nicht, unsere Aufgaben wie am Fließband zu erledigen, sondern möchten verstehen, wann wir am effektivsten sind. Sobald wir das herausgefunden haben, wissen wir auch, wann wir Ruhepausen benötigen. Damit müssen wir uns auch nicht mehr schuldig fühlen, weil wir glauben, wir müssten oder könnten mehr schaffen.